Ich lese gerade den ersten Band der Corps of Engineers-Reihe und dabei fällt mir – völlig ohne Spoiler – wieder einmal etwas auf, was schon in den Serien sehr offensichtlich ist: Arbeitsrechtlich ist Star Trek ein einziges Desaster.
Nehmen wir einmal Kirk. In der Serie wird es selten erwähnt, in den Romanen aber geht er oft nach einer langen Schicht auf der Brücke (die oft auch ohne Notfall weit länger zu dauern scheint, als die üblichen acht Stunden einer Drei-Schicht-Rotation) in sein Quartier und muss dann noch Berichte schreiben. Und das an sieben Tagen in der Woche mit nur seltenem Urlaub?
Und was ist mit den Ingenieur*innen nach einem Kampf? ‘Der Warpantrieb wird erst in einem Tag wieder bereit sein.’ – ‘Ich gebe Ihnen acht Stunden.’ Ja, gut, viele bedenken sicher die gute alte Scotty-Regel: Immer viermal mehr Zeit erbitten, als du brauchst, damit du hinterher wirkst, als könntest du Wunder bewirken. Dennoch sind die Ansprüche der Captains an ihre Crew diesbezüglich oft rigoros, besonders, wenn das am Ende einer Schicht passiert und jetzt gerade sowieso keine Gefahr mehr droht. Und sie gelten nicht nur den Führungsoffizier*innen. Das betrifft oft die gesamte Crew der jeweiligen Abteilung. Nicht, dass es besser wäre, würde es nur die Führungsoffizier*innen treffen – auch die sind Menschen. Oder Humanoide. Naja, Wesen, die erschöpft werden können, halt. Außer Data.
Ja, gut, die Sternenflotte ist auch militärisch
Aber eben nur ‘auch’. In keiner der Serien folgen wir einem Kriegsschiff. Es geht immer um Forschung oder sogar um das Aufrechterhalten von zivilem Leben und Handel, wie in DS9. (Wobei dort in den späteren Staffeln Krieg herrscht, für die muss man also eine Ausnahme machen.)
Und nicht nur das. Ja, die Organisation ist auch militärisch, ABER sie soll in einer utopischen Zukunft spielen. Sicher hätte man doch Wege finden können, auch die Arbeitsgesetze entsprechend einer lebenswerteren Zukunft anzupassen? Genügend Personal, zum Beispiel, dass keiner groß unter Stress kommt?
Wir wissen es heute schon besser
Immerhin beweisen Studien heute schon, dass kürzere Arbeitszeiten, mehr Pausen und mehr Urlaub die Arbeitsleistung verbessern. Lange Arbeitszeiten und wenig Pausen wiederum verlangsamen auch die Reaktionszeit. Und gerade auf einem Raumschiff, wenn Gefahr drohen könnte, muss doch erwartet werden, dass alle ausgeschlafen und konzentriert sind, damit sie im Fall der Fälle schnell reagieren können. Andernfalls riskiert man so Leben.
Was ist eigentlich mit Pausen?
Auch das erfahren wir nicht wirklich. Oh, Kirk sehen wir ab und an durchs Schiff wandern, ein Pläuschen halten, sogar mal etwas essen. Die Captains sind da generell besser dran als alle anderen. Wie Chakotay in einer Folge sagt: Der Captain kann sein Schiff von überall aus befehligen. Auch von ihrem Bett aus. Janeway hat sich einmal mehrere Tage in ihrem Raum eingesperrt und nur mit Chakotay kommuniziert.
Picard geht gern mal in seinen Bereitschaftsraum, um ein Tässchen Tee zu trinken und mal die Mission, mal aber seine eigenen Hobbys zu recherchieren. Janeway macht Selbiges mit Kaffee. Sisko spielt ab und an im Büro mit seinem Baseball. Alle drei können während der Dienstzeit kleine Päuschen machen und sich erholen. Aber so extrem scheint das kein anderer zu dürfen.
Führungsoffizier*innen können auch mal noch so etwas sagen, wie ‘Ich schau mal schnell in der Astrometrie vorbei, um XYZ zu klären’ und sich so wenigstens die Beine vertreten. Aber das ist immer noch Teil ihrer tatsächlichen Arbeit und keine reale Pause.
Im Gegenteil, teilweise haben wir bei Voyager sogar Harry Kim, der die Nachtwache drei Nächte die Woche hat (Biorhythmus, ich hör dich sterben) und dann, wenn die Tagesschicht kommt, nicht etwa ins Bett oder wenigstens in die Pause, sondern noch lustig an seine Station geht.
Und dann gibt es da noch das Vier-Schicht-System
Eigentlich hört man davon nur unter Captain Jellico in zwei Folgen von Star Trek TNG, sowie in einem Comic mit ihm, bis Kira Sisko in DS9 vorschlägt, das System zu ändern.
Klingt im ersten Moment besser und bei Deep Space Nine führt es auch zu weniger Müdigkeit und Verletzungen. Allerdings gibt es keine klaren Angaben, was dieses System überhaupt beinhaltet. Offenbar bedeutet das amerikanische Vier-Schicht-System, je nach Institution, dass ein Team Schicht 1 und 3, und eines Schicht 2 und 4 arbeitet, was die Arbeitszeit sogar erhöhen würde – und nebenbei nicht genug Schlaf für den durchschnittlichen Menschen ermöglicht, der 7 bis 9 Stunden Schlaf am Stück braucht. Oder, dass man 6 Stunden arbeitet, 12 Stunden frei hat, dann wieder 6 Stunden arbeitet – was keinen Biorhythmus zulässt. Wir wissen schon, dass wechselnde Schichten bei wöchentlichen Wechseln gesundheitsgefährdend sind. Wie schlimm ist das erst, wenn das täglich rotiert?
Ob Star Trek dem amerikanischen System folgt, weil es ein amerikanisches Franchise ist, oder aber vier Teams hat, die je sechs Schichten arbeiten, ist also nicht abschließend geklärt. Hoffen wir, dass die Erfahrungen auf DS9 eher auf vier Teams hindeuten und nicht eine Glorifizierung der amerikanischen Ausbeuterarbeitsgesetze darstellen.
Zusammengefasst lässt sich aber sagen, dass Star Trek nicht wirklich utopisch ist.
Erst recht nicht, wenn es um Arbeitszeiten geht. In einer Welt, in der man nicht für Geld arbeiten muss, ist es erschreckend, dass schon heutige Erkenntnisse der Gesundheitsforschung ignoriert werden – und offenbar auch solche Dinge wie Teilzeit nicht möglich sind. (Irgendwann schreibe ich auch mal einen Beitrag darüber, dass Star Trek bei genauerem Hinsehen extrem ableistisch ist.) Wer in der Welt von Star Trek arbeitet, sollte sich also so oft wie möglich an Captain Janeway halten:
Coffee, black!